Franz Josef Altenburg
Die Vollendung des Kosmos, Nassauische Neue Presse, 12.10.2004
Ein „Stapel" ziert den Pavillon, Westerwälder Zeitung, 16.06.2004
 
Curtis Anderson
Besuch der weisen Dame im Pavillon, Nassauische Neue Presse, 05.10.1999
 
Tobias Gerber


"... wie siehst Du wirklich aus?", Stadt Revue Köln - Nr. 8/01
Schiff "strandete" im Westerwald, Nassauische Neue Presse, 14.07.2001

 
Bettina Khano


Irritierende Installation: "Implosion", Nassauische Neue Presse, 12.03.2003

 
Roland Schappert


Videokunst im Molsberger Schloss-Pavillon, Nassauische Presse, 1999

 
Johannes Schlichting


Dem Himmel ganz nahe, Nassauische Neue Presse — 12.03.2002

 
Philipp Schönborn
Ein Tempel himmlischer Weisheit, Nassauische Neue Presse, 18.12.1998
Pavillon in Molsberg erstrahlt Tag und Nacht, WZ, NR. 291, 15.12. 1998
 
Julia Schrader
Angst und Abwehr, Festung und Blöße, Nassauische Presse, 2000
 
Heather Sheehan


Ein Vater zwischen Macht und Minderwertigkeit, Nassauische Presse, 10.03.2001

 
Pablo Vargas Lugo
Papp-Abdeckung soll Blick fürs ..., Nassauische Neue Presse, 11.07.02

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Franz Josef Altenburg
Nassauische Neue Presse
12.10.2004

Die Vollendung des Kosmos

Molsberg. Franz Josef Altenburg zählt zu den bekanntesten Keramikkünstlern Österreichs. Sein Material, den Ton bezieht er jedoch ausschließlich aus dem Westerwald. Dort ist derzeit ein recht monumentales Werk des Künstlers zu sehen: im Pavillon des Schloss Molsberg. Für seine dort ausgestellte Arbeit „Stapel" verwendet er weißen halbfetten Ton, der direkt in der Umgebung zu finden ist.

Für seine Präsentation in Molsberg arbeitete er das erste Mal mit ungebranntem Ton und verwendet maschinell gepresste Stäbe, die er in Form eines Oktogons in den Pavillon stapelt. Die Form der Stäbe, die durchgehend in verschiedenen Varianten in seiner Arbeit vorkommen, stellen Elemente dar, die für den Künstler die kleinsten Bestandteile eines Zusammengesetzten bedeuten. Ausgehend von diesem Elementen, den kleinsten unteilbaren Nennern, schafft Josef Altenburg über das Oktogon, das als antikes Symbol für die Vollendung des Kosmos steht, eine Verbindung zwischen Ursprung und Unendlichkeit.

Die Stäbe dienen Franz Josef Altenburg als Konstruktionsmittel um in seinen Objekten Raum zu definieren. Der schlichte „Stapel" unterstreicht die Nüchternheit und Sachlichkeit seiner Arbeit, die architektonisch dem Funktionalismus zugeordnet werden würde. Somit schafft er einen Gegensatz zur barocken Schlossanlage samt Pavillon.

Die Ausstellung ist noch bis Ende Oktober 2004 im Molsberger Pavillon zu sehen.

Franz Josef Altenburg
Westerwälder Zeitung
16.06.2004

Ein „Stapel" ziert den Pavillon

Exponat wiegt mehr als zwei Tonnen — Keramiker Altenburg hat es kreiert

Molsberg. Der restaurierte Pavillon aus dem Jahre 1735 am Schloss Molsberg macht mit der Ausstellung eines einzigen Exponates auch in diesem Sommer bis Ende Oktober auf sich aufmerksam. Diesmal ist es der österreichische Keramikkünstler, Franz Josef Altenburg, der zu seiner Arbeit „Stapel" ungebrannten, halbfetten Ton verwendet.

Das Exponat ist dem Achteckgrundriss des Pavillons nachempfunden, besteht aus 136 maschinell gepressten Stäben und wiegt 2,3 Tonnen, die in der Form eines Oktogons im Zentrum des Pavillons gestapelt sind. Die Stäbe haben eine Stärke von 80 Zentimeter lang, die sich im Aufbau des fast bis zur Decke reichenden „Stapels" nach oben mit Leerräumen gleichen Ausmaßes abwechseln.

Für den Künstler stellen die Stäbe kleinste Bestandteile eines zusammengesetzten Ganzen dar. Von diesen Elementen ausgehend, schafft Altenburg über sein Oktogon eine Verbindung zwischen Ursprung und Unendlichkeit, das als antikes Symbol für die Vollendung des Kosmos steht.

Franz Josef Altenburg, 1941 geboren, ist Absolvent der Kunstgewerbeschule Graz, legte 1967 die Meisterprüfung im Hafner-Gewerbe ab, bildete sich bei Jean Claude de Crousaz (Genf) fort und ist seit 1969 frei schaffender Künstler, der sich an zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen beteiligte. 1989 erhielt er den Kulturpreis des Landes Oberösterreich. Er zählt in seiner Heimat zu den bekanntesten Keramikern.

Für seine Arbeiten verwendet Altenburg gern Westerwälder Ton. So ist er auch im Kannebäckerland kein Unbekannter. Er war befreundet mit Axel Schmidt-Walguny, den ersten künstlerischen Leiter des Keramikmuseums Westerwald, der ihn auch nach Höhr-Grenzhausen einlud, sich hier mit salzgebranntem Steinzeug zu befassen. „In der Kannebäckerstadt habe ich gearbeitet, in Ransbach-Baumbach gebrannt. Es war eine schöne zeit", sagte der Künstler. Altenburg lebt und arbeitet im österreichischen Breitenschützing.

Josef Otto Schneider

 
Curtis Anderson
Nassauische Neue Presse
05.10.1999

Besuch der weisen Dame im Pavillon

Von Nicola van Bebber

Wallmerod/Molsberg. Es ist eine faszinierende Leistung: Da werden in einem abgelegenen Dorf, weitab vom kommerziellen Kunstgetriebe der Großstädte und in einem winzigen Gebäude existenzielle Fragen aufgeworfen, die seit jeher Kunstschaffende umgetrieben haben und wohl auch in Zukunft immer wieder beschäftigen werden.

In dem rund acht Quadratmeter großen Gartenpavillon des Schlosses Molsberg bei Wallmerod —1734 in Form eines Achtecks mit Kuppeldach erbaut, 1998 saniert und seither von dem Galeristen Emmanuel Graf von Walderdorff als Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst genutzt - verdichteten sich am Wochenende grundsätzliche Aussagen und Anfragen an künstlerisches Schaffen, festgemacht an den Werken Curtis Andersons, der seine Objekte seit Mai in Molsberg ausgestellt hatte.

Wie so oft beim Nachdenken über Kunst(werke) ging es auch in Molsberg um Grenzgänge. Darum, die Barriere zwischen kognitiver und affektiver Wahrnehmung zu überspringen, Erfahrungen aus der Hapsis in die Dialektik (aus der sinnlichen Wahrnehmung in eine durch Worte verständliche) zu transportieren.

Eine Persönlichkeit, welcher diese Verbindung in meisterhaft-einfühlsamer Weise gelang, war Dore Ashton; eigens aus den Vereinigten Staaten angereiste Kunstkritikerin der „New York Times" und ehemalige Dozentin an der New Yorker Kunstakademie „Cooper Union for the advancement of Science and Art". Ihr gerade erschienenes Buch „Thoughts of a Bemused Tourist (Gedanken eines verwirrten Touristen) - zur Arbeit von Curtis Anderson" wurde in Molsberg erstmals öffentlich vorgestellt.

Sich selbst zurücknehmend, gar in Frage stellend - die Autorin selbst bezeichnet sich als Vertreterin eines „impassionate criticism", einer leidenschaftlichen Kunstkritik, - näherte sie sich darin ausgesprochen philosophisch den Werken des amerikanischen Künstlers, dem sie seit seiner Studienzeit verbunden ist: "Wörter seien die Schatten der Werken", zitierte sie den griechischen Philosophen Demokrit. „Anderson stellt Dinge her. Ich mache Schatten." Sie (be)schreibe die Werke Andersons: "Die, welche ich gesehen habe und die, nach denen- ich verlangt hätte, sie gesehen zu haben", erklärte sie anspielend auf labyrinthische Gedanken, welche sie nach intensiver Beschäftigung von Aristoteles Metaphysik verstrickt hätten.

Das "Verlangen zu erkennen" bedeute im Griechischen wörtlich übersetzt das "Verlangen, gesehen zu haben." Anderson müsse durch die kumulative Natur seiner visualisierten Gedanken gesehen werden, meinte Dore Ashton und nahm auch besonderen Bezug auf seine Arbeiten in Molsberg: „Andersons Arbeiten im achteckigen Pavillon - einem wahren Belvedere - freischwebend aufgehängt und dazu gedacht, wie Seiten eines Buches umgeblättert zu werden, sind so mystifizierend wie Mallarmes Buch, das der Dichter mit der verriegelten Kiste des Zauberers verglich." Die Schmetterlingsflügeln ähnlichen Werke des heute in Köln lebenden Amerikaners besitzen nach Ansicht der Dore Ashton eine fast ätherische, geheimnisumwitterte Symmetrie. Sie seien wie Schiefer, dichtgeschichtet: "Ein Bild wirkt auf ein anderes ein und verwandelt es", erläuterte die Kunstkritikerin. Der aufmerksame Betrachter müsse Geduld haben: "Hier geht es um Entdeckung." Andersons Kunst verlange einen "Akt der Phantasie, der unter die Oberfläche kratzt und der eine vielwertige Bedeutung enthüllt und entdeckt." Ähnlich der Wirkung eines Palimpsests: das ist eine Handschrift auf Pergament, auf welchem die ursprüngliche Schrift beseitigt ist, die heute aber durch besondere Durchleuchtungsmaßnahmen wieder lesbar gemacht werden kann.

Dore Asthon sieht das Werk Andersons als Vereinigung von Geist und Materie, dem der Geist für sich nicht genüge. In diesem Zusammenhang erinnerte die amerikanische Kunstexpertin an das „chi" des späten Taoismus, derjenigen chinesischen Lehre, welche die Suche nach dem ewigen Sinn bezeichnet, der sich begrifflich nicht mehr ausdrücken lässt: Gelegentlich wird es durch die bezaubernde Wendung ,die wandernde Luft' bezeichnet." Doch gehe es Anderson bei aller Beschäftigung mit dieser Philosophie nicht etwa um deren Umschreibung, sondern um Inkarnation: „Er gibt dem Geist einen Körper. Solch ein Paradox ist möglich, wenn auch nur in der Kunst", betonte Dore Ashton.

Mehrfach machte die Kritikerin ihre Ausführungen zu künstlerischem Suchen und Erfahren, zu etwaigem Erkennen oder „Gesehen haben" an Worten des taoistischen Philosophen Chuang Tzu fest: Es gebe Orte, die weder durch Worte noch durch Schweigen vermittelt werden könnten. In jenem Zustand, der weder Sprechen noch Schweigen sei, könne man seine transzendentale Natur erfassen. "Wähle keinen absoluten Ort. Lass das Äußerliche für sich selber sorgen. In Bewegung sei wie Wasser. In Ruhe wie ein Spiegel. Antworte, wie das Echo. Sei fein, als ob nichtseiend. Sei still, als ob pur", zitierte Dore Ashton.

Zitate, die wie ein Anker-Werfen im Unendlichen wirkten. Welche auf liebenswürdig-bescheidene Art bei aller Professionalität der Beurteilung eben auch deren Grenzen deutlich machten. Vielleicht tat Dore Ashton dies allerdings gerade in Molsberg nicht von ungefähr. Denn wenn auch die Gedanken des Taoisten nicht räumlich oder konkret gemeint sind, so ist doch der lichtdurchflutete Molsberger Pavillon in seiner exponierten Lage und mit seiner ganz eigenen Aura ein Ort, der eben gerade das zulässt, was letztlich nicht be- und umschreibbar ist: Wie ein Spiegel, wie ein Echo sein, so still als ob pur- die Sinne öffnend für die Erfahrung von Transzendenz oder eben einen Zustand, der weder Sprechen noch Schweigen ist. Der rechte Ort, um „wandernder Luft" Gestalt zu geben.

 
Tobias Gerber
Stadt Revue Köln
Nr. 8/01 - S.91

Tobias Gerber: - "... wie siehst Du wirklich aus?"

Oft fristen anonyme Wiedersehenswünsche ein unerwiedertes Kleinanzeigenrubrikdasein. Effektiver, dachte sich jemand auf der Suche nach Sigi, ist der Straßenaushang in der Südstadt: "Suche Sigi, der am Rosenmontag im Lithos >derTod< war. Wie siehst Du wirklich aus?" Reagiert hat zumindest der Kölner Künstler Tobias Gerber, der das Fahndungspapier abgerissen und diskret (mit unkenntlich gemachter Mobilnummer) zur hellrosaroten Ausstellungseinladungskarte umformatiert hat. Rosarot ist auch sein Ausstellungsgegenstand an einem feudalen Kunstfleckchen mitten im Westerwald: ein Boot mit dem Schriftzug "Siegfried", das er millimetergenau zwischen die Oktagonecken des einstigen "Lust- und Gartenhauses" von Schloß Molsberg - seit drei Jahren Kunstaußenstation von Emmanuel Walderdorff - eingekeilt und an einem vom Bootsboden bis zur Pavillondecke eingeklemmten Astkreuz vertäut hat. Wer das Schiff als Motiv aus Gerbers Falt-, Phantom- und Raumzeichnungen kennt, verfällt dem Eindruck, es sei dort im Pavillon auf dem Westerwaldhügel in dem Versuch, materiell zu werden, zwar unbeleckt, aber ausweglos gestrandet. Vielleicht ein Ort, um einmal mehr Fragen der Wahrnehmung und Differenz von Wunsch und Realität oder symbolischer Heimatlosigkeit zu überdenken. Fast lieber aber möchte man das Boot zum lauschigen Paddeln an den nahe gelegenen Weiher tragen.
Übrigens ein idealer Ort für erfolgreiche Kleinanzeigensucherlnnen. (ak)

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Tobias Gerber
Nassauische Neue Presse
14.07.2001, S. 14

Schiff "strandete" im Westerwald

Nicola van Bebber, Molsberg.

„Das Kunstwerk ist eine imaginäre Insel, die rings von Wirklichkeit umbrandet ist" - es bedarf ein wenig der Anschauung eines Ortega y Gasset (spanischer Philosoph von 1883 bis 1955), um sich der Sommerausstellung im Pavillon Schloss Molsberg gedanklich anzunähern. Die siebte Präsentation in Molsberg ist einmal mehr ein demonstrativer Akzent, im Tenor allerdings eher besänftigend: weniger provokativ als in der vorangegangenen Ausstellung, aber nicht weniger hintergründig.

Ein pastellrosa-farbenes Schiff besetzt den Pavillon. Oder ist der Pavillon der Ort, welcher der Phantasie die Grenzen zeigt? Eher im Gegenteil. Fakt jedoch ist: Das Boot, durch seine Erdung auf einem Westerwälder Hügel, noch dazu eingekeilt in ein barockes Oktogon seiner eigentlichen Bestimmung völlig entfremdet, macht zunächst stutzig. Ob es dem Baby-Rosa des Holzbootes oder dem durch die Fenster des denkmalgeschützten Pavillons zart gebrochenen Licht des hohen Westerwaldes zuzuschreiben ist, sei dahingestellt: Das Objekt rührt den Betrachter.

Ein Effekt, dem der Künstler tolerant gegenübersteht: "Kunst soll öffnen, Diskussionen auslösen. Man schafft etwas, ohne zu wissen, was jemand daraus liest." Tobias Gerber, Künstler aus Köln und 1998 mit dem Villa-Romana-Preis ausgezeichnet, ist nicht der Mann, dem es um tumbe Demonstrationen oder gedankliche Einbahnstraßen geht. Gerber setzt stille Akzente ohne Schärfe, sehr wohl aber mit philosophisch-tiefsinnigem Hintergrund. Kein Provokateur, eher ein sensibler Pointillist der bildenden Kunst. In dem Sinne, dass er die unzähligen Facetten des Lebens auf ein zunächst schlicht anmutendes Objekt konzentriert.

Die Begrenzungen der menschlichen Existenz sind sein Thema, dem er sich auch in seinen vorherigen Arbeiten mittels des Sujets „Schiff" genähert hatte. "Man gewinnt den Eindruck, dass Tobias Gerber mit dieser Ausstellung seine ,Schiffsreise' beendet", hatte der Kölner Galerist und Initiator der Pavillon-Ausstellungen, Emmanuel Graf Walderdorff, die Präsentation zur Eröffnung kommentiert. Wenn auch der Pavillon das richtige "Bett" für wie auch immer gestrandete philosophische Überlegungen sein mag - es bleiben genügend Fragen offen. Auch wenn sich hier ein Künstler der Zerrissenheit des modernen Menschen mit einer auf den ersten Blick geradezu poetischen Leichtigkeit widmet- der Grundkurs des Boot-Projekts ist durchaus existentialistischer Natur, wirft das Dilemma des Möglichen und des Wirklichen auf.

Denn angesichts der Positionierung des Wasserfahrzeugs ist es nicht unangemessen nach der Navigation des Lebens zu fragen. Danach, ob ein einmal eingeschlagener Kurs das Leben in ganzer Reichweite abdecken kann oder soll. Mit einem Schiff assoziiert sich Fernweh - was also ist mit den unerfüllten oder gar an rauer See zerschellten Sehnsüchten? Poesie hilft hier nicht weiter — eher schon Adorno: „Kunst ist das Versprechen des Glücks, das gebrochen wird" oder gar Camus: "Kunst ist eine in Form gebrachte Forderung nach Unmöglichem, die Inkarnation eines Dramas des Verstandes".

Fragen, die Gerber in der Einladung zur Ausstellung komödiantisch getarnt hatte: „Suche Sigi, der am Rosenmontag im Luhas der Tod war - wie sieht Du wirklich aus?" Die Frage nach dem Gesicht hinter der Maske - für den gebürtigen Düsseldorfer eben nicht nur Karnevalisten vorbehalten. Bei der Suche nach der anderen Seite des Realen geht es Gerber um Wahrnehmung, Vertauschung und Metamorphose. Er sehe die Energien des Lebens stets in Bewegung zwischen den Polen des Körperlichen und des Geistigen, des Sinnlichen und des Intellekts. Als „Irrtum mit Methode", hat Harald Uhr vom Bonner Kunstverein Gerbers schöpferische Kreativität einmal benannt.

Eine künstlerische Ausrichtung, die nun in Molsberg ihren vorläufigen Höhepunkt findet. Doch der "Rätselskulptur", wie Gerber selbst sein Boot nennt, haftet durch das Gestrandet-Sein auf Westerwälder Erde auch etwas Befreiendes an. Galerist Graf Walderdorff bedient sich bei dieser Deutung des Hauff´schen Gespensterschiffs und seiner zur Bewegungslosigkeit verurteilten Piraten, die erst durch den Kontakt zur Erde, Staub werden, Erlösung finden können. Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand, sagt man. Doch auf der „imaginären Insel", dem kleinen „Atoll" im Westerwald darf in diesem Zusammenhang auch Nietzsche zitiert werden:

„Wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen . . ."

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Bettina Khano
Nassauische Neue Presse
12.03.2003 S.17

Irritierende Installation: "Implosion"

Von Nicola van Bebber

Molsberg. Unberührt lässt es gewiss keinen. Es ist wie ein Schritt ins Nichts. Zunächst durchaus mit subtiler Gewalt besetzt. Nicht direkt, scheinbar harmlos, und dennoch zutiefst verunsichernd. Schließlich setzt sich der moderne Bildungsbürger, längst aus der Transzendenz vertrieben, nur ungern Erfahrungen aus, die weder berechenbar noch vorhersehbar sind und zudem noch mit vorbehaltlosem Sich-Einlassen einhergehen. Es ist nichts Figürliches, das da die Contenance bedroht - der Prozess als solcher ist es, welcher die persönlichen Eckdaten ins Wanken geraten lässt: "Implosion" lautet der Titel der Installation der Kölner Künstlerin Bettina Khano, die Kurator Emmanuel Graf Walderdorff noch bis Ende Juni im Molsberger Pavillon präsentiert. Ein durchaus revolutionäres Projekt in einem Gebäude, das als barocker Gartenpavillon zunächst ganz andere Erfahrungen assoziiert: „Nur zu leicht drängen sich an einem solchen Ort romantische Konzepte in die Produktion wie auch in die Rezeption von Kunst".

Der Filmwissenschaftler und Kunsthistoriker Marc Glöde ist gerade deshalb fasziniert von "Implosion". Denn das Projekt Bettina Khanos lässt solch klischeehafte Erwartungen gar nicht erst aufkommen. Auch wenn sich, so Glöde, an einem solch idyllischen Ort Kategorien wie „die Natur" oder „das Wahre" geradezu auf Künstler wie Betrachter zu stürzen drohten. Khanos Arbeit greife diese Problematik auf und konfrontiere jene auratischen Komplexe mit einer ebensolchen Form der Auratisierung. Wie dies konkret aussieht? Man nehme ein wenig künstlichen Nebel und Plexiglas. Dies allein reicht aus, um nicht nur visuelle, sondern absolute Grenz-Erfahrungen zu erleben. Denn ist der Raum einmal völlig mit besagtem Kunstnebel gefüllt, löst eine Irritation die andere ab. Ist der Boden noch da, auf dem mein Fuß Halt sucht? Oder falle ich ins Bodenlose? Worauf gehe ich zu? Ist noch jemand im Raum oder nicht? Der erste Eindruck ist: Ich verliere mich selbst, nichts ist mehr stabil. Der Verstand versucht mir einzureden: Dieser Pavillon ist winzig, ein Oktogon von höchstens neun Quadratmetern. Es gibt hier kein schwarzes Loch. Dennoch: Hilfloses Umherirren in einem unendlich scheinenden Raum. Ein Fall ins Uferlose? In jedem Fall ungeahnte Erfahrung.

Wie schnell doch die so gründlich trainierte Fassade der Selbstsicherheit bedroht ist... Ungeahntes tut sich auf. Das Spiegelkreuz in der Mitte erscheint zunächst als scharfkantiges Etwas, vor dem ich mich in Acht nehme, um mich nicht zu schneiden. Als ich dann nach winzigen, vorsichtigen Tastschritten wirklich davorstehe, entdecke ich mein eigenes Spiegelbild... Ein absoluter Appell an die Sinne. "Implosion" ist hochpotenzierte Irritation. Marc Glöde: "Dies hier ist ganz im Sinne des englischen Sense'- eine leise Sensation..." Khano beraube den Besucher der sicheren Entitäten des eigenen Körpers und des Raums. Selbst Kurator Emmanuel Walderdorff hat den Raum noch nie so erfahren: "Man wird offen für neue Dimensionen..." Bettina Khano geht es um neue Formen, die Auflösung von Körpergrenzen und die Auflösung des Raums: "Es ist ein plötzliches Nach-Innen-Stülpen. Man implodiert sozusagen in sich selbst", so die ganz persönliche Interpretation der Künstlerin. „Die Menschen werden ausgehebelt aus dem normalen System - fast wie beim Achterbahnfahren. Nur dass man sich hierbei so leicht fühlt wie Zuckerwatte..." Doch dies sehe und erfahre eben jeder anders.

"Implosion" ist noch bis Ende Juni 2003 in Molsberg zu erfahren. Nähere Informationen unter: Telefon (0221)801 1824.

 
Roland Schappert
Nassauische Neue Presse
1999

Videokunst im Molsberger Schloss-Pavillon

Nicola van Bebber, Wallmerod/Molsberg

Videokunst ist im Zeitalter der Digitalisierung längst zur anerkannten Kunstform avanciert. Als zeitgemäßes Ausdrucksmittel einer Generation, die zum großen Teil eher mit den versponnenen Digitalfantasien der Videoclips vertraut ist als beispielsweise mit der Malerei. Will ein Videofilm jedoch Kunst sein, muss er sich absetzen von den gewöhnlichen technischen Hilfsmitteln der Sogkraft des Augenscheins, muss mit Wahrnehmungen spielen, herkömmliche filmische Erzählmuster ignorieren. Ein Video, das dies leistet, ist derzeit im Pavillon Molsberg zu sehen: "Mord im Hochformat - das Ende einer Freundschaft" lautet der Titel des Films des Kölner Künstlers Roland Schappert, der noch bis April 2000 in Molsberg zu sehen ist. Parallel zum Video, aber durchaus als eigene Kunstform, präsentiert eine eigens für den Ausstellungsort erarbeitete Dia-Installation mit 120 Standbildern eine Zweitversion des Films.

Gezeigt wird die Geschichte dreier junger Leute, die sich auf Schloss Molsberg begegnen. Die Handlung ist nicht leicht auszumachen: Drei Mörder, zwei Mal drei Tote und mindestens drei Möglichkeiten, um das Verbrechen aufzudecken. Wer nun angesichts der Verbindung von Schlosskulisse und Krimi etwa Wallace-ähnliche Film-Assoziationen erwartet, wird sich getäuscht sehen. Wer Affinitäten zu klassischen Produktionen sucht, findet sie — wenn überhaupt - höchstens bei Bunuel oder Chabrol.

Grundsätzlich jedoch gilt, was der Kölner Künstler Johannes Schlichting in einem Skript zur Ausstellung schreibt: "Mord im Hochformat widersetzt sich den Vorwänden des Erzählens." Indem das bildnerische Element dem Erzählfluss vorgezogen werde, spiele der Film mit dem Hintergrund unserer Gewohnheit, von Filmbildern etwas erwarten, erahnen oder verstehen zu wollen. Roland Schappert präsentiert in Molsberg Kunst am Monitor und installiert somit ein ebenso durchdachtes wie eindrucksvolles Gegenestablishment zu gewohnt-bewährten, aber meist eben nur passiv konsumierten Produkten filmischer Unterhaltungsindustrie.

Zeitweise arbeitet er mit stillen Einstellungen gegen die gewohnte Reizüberflutung unser Fernsehwelt an, dann wieder sucht er die Bilderflut des Alltags durch kaleidoskopartig-schnelle Schnittfolgen zu übertreffen. Der Regisseur spielt mit den Sehgewohnheiten des Publikums. Dies bewerkstelligt er unter anderem auch dadurch, dass das Video konsequent in Hochformat präsentiert wird. Johannes Schlichting definiert dies als Strategie und Ästhetik zugleich: „Weil diese Aufmerksamkeit eine distanzierte und bewusste Wahrnehmung erzählerischer und bildnerischer Strukturen ermöglicht, die sonst vorwiegend illusionistisch formuliert und bevorzugt unbewusst konsumiert werden."

Der Kölner Regisseur konfrontiert den Betrachter mit der ohnehin unscharfen Schnittstelle von unmittelbar sinnlicher Realität und medial vermittelter Fiktion.

Wirft die Frage auf, inwieweit sich Imagination, indem sie sich auf unsere Netzhaut verlagert, auch in uns selbst manifestiert. Sehen wir also wirklich fern, oder finden wir die Wirklichkeit in uns selbst?

Für den Kurator des Molsberger Pavillons, Emmanuel Graf von Walderdorff jr., steht der malerisch abstrakte Charakter des Projekts im Vordergrund: "Mich fasziniert, dass sich diese Videokunst wieder eigentlich auf die Malerei bezieht." Nicht die Perfektion des Videos sei hier maßgeblich, meint der Kölner Galerist.

Vielmehr gehe es um die Perfektion der malerischen Bildoberfläche. Walderdorff hat diese Kunstform durch die Präsentation im Pavillon bewusst gefördert. "Künstler sollen auf ihre Weise mit der Architektur des Raumes spielen." In diesem Fall wurde für die Standbild-Installation gar eine Tür des Pavillons durch eine Plexiglasscheibe ersetzt.

Von innen werden die Dias an die Scheibe projiziert. Sie sind auch von außen zu betrachten, je nach Tageslicht immer interessanter reflektiert, aber nur von bestimmten Standpunkten zu erkennen.

 
Johannes Schlichting
Nassauische Neue Presse
12.03.2002

Dem Himmel ganz nahe

Nicola van Bebber, Molsberg.

Musik, so heißt es bei E.T.A. Hoffmann, erschließt dem Menschen ein unbekanntes Reich eine Welt, die nicht mit der Wirklichkeit gemein hat. Märchen stehen für über Generationen hinweg überlieferte Erzählungen, in denen die Grenze zwischen Wirklichkeit und Wunderbarem aufgehoben ist. Musik und Märchen - zwei Sujets, die gerade aufgrund dieser Definitionen eine psychologisch vieldeutige Symbiose eingehen können. Eine solche Kombination muss demzufolge ein ganz besonderes Kunstwerk sein — eine Kreation, die Betrachter und Zuhörer eine gerade zu extraordinäre Erfahrung ermöglicht, nämlich einen Zugang zum eigenen Unterbewußtsein.

Skuril-kapriziös

Eine besonders eigenwillige Verbindung dieser beiden Kunstexpressionen ist derzeit für Besucher der achten Ausstellung im Pavillon des Schlosses Molsberg erfahrbar: "Nachtstück" heißt die zunächst skuril-kapriziös wirkende Installation des Stuttgarter Künstlers Johannes Schlichting, welche derzeit in Molsberg zu sehen ist. "Nachtstück" besteht aus zwei Teilen, der Musik und dem Bild, ebenso wie die Medaille zwei Kehrseiten hat", erläutert Emmanuel Graf von Walderdorff seine Exposition. Für den Kölner Galeristen ist "Nachtstück" eine „Verkörperung von Musik, die Darstellung einer Komposition, Spieluhr und Konzert zugleich. In der kreisenden Bewegung lösen sich die Grenzen von Klang- und Bildwelten, die zu neuer Gestalt verschmelzen."

Formal gesehen handelt es sich um ein Spiel mit der Zahl 14: zweimal 14 Phasen, jede aus 14 Takten, gesetzt für vier gedachte Instrumente: Ein Variationenwerk über ein 14-taktiges Thema. Und obwohl die Musik auf Computer-Basis kreiert wurde, steht sie doch im Gegensatz zu der schnellebigen Oberflächlichkeit, für welche das ,Instrument" eigentlich steht. Denn für "Nachtstück" braucht der Betrachter Zeit: Eben die 15 Minuten der Komposition, die beim Betreten des Pavillons zu hören sind. Zeit genug, sich Gedanken über das Bildhafte zu machen, das den Betrachter dort erwartet: sieben auf zylindrische Lampenschirme angebrachte Bilder, Märchenmotive aus einem antiken Bilderbuch während des Musikstückes rotieren die Leuchtkörper. Der Eindruck ist, wie immer im Molsberger Pavillon, etwas ganz Besonderes: Durch das Zusammenspiel zwischen dem rein Sichtbaren und dem Auditiven eröffnen sich dem Besucher neue, innere Welten, ungeahnte Projektionsmöglichkeiten.

Sphärische Eindrücke

Die Musik verstärkt das märchenhaft Schwebende der Lampen. Durch die ganz eigene Akustik des Pavillons entstehen bizarre sphärische Eindrücke: poetische Anklänge, zart, meditativ, melancholisch-märchenhafte Kindheitserinnerungen beschwörend. Aber es gibt auch surreale, an Psychothriller erinnernde Effekte - je nachdem, welches Motiv der rotierenden Lampenschirme gerade im Blick des Betrachters weilt. Eine Wirkung, die Johannes Schlichting durchaus intendiert hat: Die Nähe des Unheimlichen und des Idyllischen soll spürbar werden. So wirkt "Nachtstück" durchaus "anstößig": als Impuls, sich sowohl mit den Abgründen der (eigenen) menschlichen Existenz, aber auch mit deren Ursprüngen zu befassen - den Synonymen, mit denen eben Kindheit besetzt ist: Reinheit und Behutsamkeit, Zartheit und Zaghaftigkeit, kurz: Sensibilität. "Nachtstück" als Mahnung zur Rückbesinnung auf humane Werte, als Memento an die Notwendigkeit der Einbindung philosophischer Erkenntnisse beim Umgang mit der Wirklichkeit? Eine bildnerisch vieldeutige Polyphonie? Der Stuttgarter Künstler will da keine explizite Deutung vornehmen: "In jedem Fall ist es die Kombination einzelner Motive zu einem neuen Text. Die Musik ist nicht nur Geräusch oder Raumklang, sondern eine Komposition, die Durchführung eines Themas wie bei einer Symphonie.": Die individuellen Assoziationen beim Betrachten der Motive und gleichzeitigem Wirken der Musik sollen in jedem Betrachter Neues entstehen lassen. Schlichting: „Vertrautes stößt auf Fremdes. Solcherart neu kombiniert lässt es sich nicht in Schubladen ablegen..."

Wie dem auch sei: Musik steht für die Freiheit des Geistes, Märchen für das Eingreifen übernatürlicher Kräfte in das Alltagsleben. Musik und Märchen, Atmosphäre und Allegorie zu einer eigenen Komposition zusammenzufassen, ist ein gewagtes Unterfangen, das mehr als nur Einfühlsamkeit erfordert. Ein künstlerisches Ziel jedoch, für welches das märchenhafte Ambiente des Molsberger Pavillons sich in besonderem Maße eignet. Schon Cicero meinte Musik sei die Seele des Himmels.

Zwei Sinne gefordert

Beim Besuch des Pavillons sind gleich zwei Sinne gefordert: Hören und Sehen. So mag es dem Einen oder der Anderen gar 80 scheinen, als sei man beim Molsberger "Nachtstück" dem Himmel ganz nahe - wie auch immer man ihn definieren mag... Die Ausstellung ist noch bis Ende Mai im Pavillon zu besichtigen.

 
Philipp Schönborn
Nassauische Neue Presse
18.12.1998

Ein Tempel himmlischer Weisheit

Von Gerhard Egenolf

Molsberg. Der sonst unscheinbare achteckige Pavillon an der Schloßallee dient jetzt als "Tempel der himmlischen Weisheit". Wer denkt, eine Sekte hätte sich auf Schloß Molsberg niedergelassen, der irrt. Vielmehr handelt es sich dabei um ein Kunstwerk des Münchener Künstlers Philipp Schönborn, der mit seinem Lichtobjekt den Pavillon zum "Tempel" adelte. Acht blaue Neonröhren sorgen dafür, daß am Tag die Fenster einen bläulichen Schimmer tragen. Mit Einsetzen der Dämmerung wird das blaue Licht intensiver, umhüllt Pavillon und Allee in mystischem Schein. Schönborn, der sich als Photograph von Architektur und Gärten sowie zeitgenössischer Kunst einen Namen gemacht hat und sich seit 1990 mit Licht- und Farbkunst unter Einsatz verschiedenster Mittel beschäftigt, hat in den vergangenen Jahren seine Werke schon in zahlreichen Ausstellungen in Paris und München gezeigt.

Bei der offiziellen Vorstellung des Kunstwerkes und des Künstlers brauste ein Sturm durch die alte Lindenallee, die zahlreichen Gäste hatten Mühe, den Erläuterungen der Münchener Kunsthistorikerin Annette Philp zu lauschen. Sie erinnerte an die Entwicklung der Gartenarchitektur in früheren Jahrhunderten, die auch zu kleinen Tempeln in Gartenanlagen führte. Der Pavillon am Molsberger Schloß regte den 1943 in Prag geborenen Künstler Philipp Schönborn zu seiner Lichtkomposition an. Zum einen, weil die Zahl Acht als

mystische Zahl gilt, zum. Anderen die blaue Farbe, die in der Mystik ebenfalls eine besondere Bedeutung und Symbolik hat. Blau, das ist nicht nur die Farbe des Himmels, sie findet sich auch wieder in den religiösen Darstellungen von

Engeln und Heiligen. So wird der Erzengel Michael mit blauem Gewand dargestellt und auch die Gottesmutter Maria wird traditionell mit blauem Umhang dargestellt.

Ein "Abbild kosmischer Ordnung"

„Himmelsblau fällt aus den Fenstern des Gartenpavillons auf die Molsberger Schloßallee. In den Wintermonaten verwandelt sich das einstige Lusthaus in ein geistig geistliches Gebäude und behaust nun die Farbe der Ferne. Acht Ecken und acht Fenster und Türöffnungen machen den Pavillon zu einem Abbild kosmischer Ordnung. Der Fußboden mit seinem Schachbrett aus acht mal acht Feldern gibt dem Tempel sein Fundament auch den heiligen Zahlen der Unendlichkeit. Nach oben öffnet sich das getreppte Deckengesims über eine siebte Stufe aus blauem Licht zum Himmel. „Sophia, die weibliche Weisheit, breitet ihr Licht aus", so die Deutung der Kunsthistorikerin Annette Philp.

Weitere Presse zu Philipp Schönborn

 
Philipp Schönborn
Westerwälder Zeitung
Nr. 291, 15.12. 1998

Pavillon in Molsberg erstrahlt Tag und Nacht

Lichtpräsentation vor geistigem Hintergrund - Leuchtröhren machen Bauwerk von weitem sichtbar

Von Josef Otto Schneider

MOLSBERG. Um 17 Uhr, als es dunkelte, konnten die Gäste sehen, was ihnen bei der Eröffnungsfeier zwei Stunden zuvor von Annette Philp angekündigt worden war: Der Pavillon an der Schloßallee Molsberg strahlte, innen von blauem Licht erfüllt, in mildem Schein in den stürmischen Winterabend.

Die Lichtkomposition des Münchner Künstlers Philipp Schönborn sorgte für Aufsehen unter den Gästen, die sich zur Eröffnung der zweiten Präsentation des Pavillons als Kulturträger, gebeutelt von einem in den alten Bäumen der Allee heulenden Sturm, eingefunden hatten. Blaues Licht als die Farbe des Himmels und unseres Planeten, Farbe auch im Gewand der Madonna und St. Michaels - da war es nur ein kleiner Schritt zum Thema des Ereignisses, "Tempel der himmlischen Weisheit" .

Annette Philp, die in München beheimatete promovierte Kunsthistorikerin, führte die Teilnehmer, den Künstler an ihrer Seite, in die Lichtpräsentation ein, vermittelte einen Einblick in die kunstgeschichtliche Entwicklung der Bauten, um bei den Gärten des 18. Jahrhunderts als Teil einer übergeordneten Geistigkeit vorzudringen: Kleine, den Göttern geweihte Tempel waren zwangsläufig darauf angelegt, diese Stätten zu reflektieren. Der Molsberger Pavillon regte den Künstler Philipp Schönborn, nach dessen Entwürfen ein Altar in St. Michael zu Peiting/Schongau errichtet wird, zu einer Lichtkomposition an, wie sie bisher dort noch nie zu sehen war. Dabei erwies sich ihm der ungewöhnliche achteckige Grundriß als besonders reizvoll, zumal die Acht in der Zahlenmystik als Zahl der Unendlichkeit und geheimnisvoll gilt.

Im Zusammenwirken mit der Farbe blau präsentiert sich der Pavillon aus dem Jahre 1730 auf überaus geheimnisvolle Weise. Acht Leuchtröhren, dort angebracht, wo die Decke auf den Wänden aufzuliegen scheint, werden bis April bei Tag und Nacht erstrahlen und das schmucke Bauwerk von weitem sichtbar machen.

"Hausherr" Emmanuel Graf von Walderdorff: "Ich freue mich, daß der Pavillon stetig in seine Rolle als Kulturstätte hineinwächst. Die Ausstellungsreihe wird im kommenden Jahr fortgesetzt. "

Weitere Presse zu Philipp Schönborn

 
Julia Schrader
Nassauische Neue Presse
2000
 

Angst und Abwehr, Festung und Blöße

Nicola van Bebber, Molsberg.

"Kunstwerke, die der Betrachtung und dem Gedanken ohne Rest aufgehen, sind keine." Orientiert man sich an dieser Interpretation Theodor W. Adornos, so begegnet man im Pavillon des Schlosses Molsberg Kunst in Reinkultur. Denn es gab wohl keinen Vernissagebesucher, den die seit Sonntag dort ausgestellten Kunstwerke von Julia Schrader nicht nachhaltig beschäftigt haben. Der besonderen Sphäre des Ortes entsprechend präsentiert Emmanuel Graf von Walderdorff dort einmal mehr ausgesuchte Werke von extraordinärer Qualität, diesmal mit fast philosophischer Ausrichtung. Denn Julia Schraders Exponate sind ebenso kostbare wie ungewöhnliche Zeugnisse von (Gedanken-) Freiheit, ihre Metaphern liegen jenseits herkömmlicher Sprache und Denkens.

Zwei "Kleider´ hängen im Pavillon (vom Galeristen bewusst wie im Dialog zweier fiktiver Frauen einander gegenübergestellt). Bizarre Drahtgeflechte sind es, das Eine zieren nach außen gerichtete Porzellan-Stacheln, das Andere zeigt die Stacheln nach innen. Und wie nach dem französischen Schriftsteller Albert Camus Kunst eine in Form gebrachte Forderung nach Unmöglichem ist, so ist auch diese Kombination gemäß traditioneller Vorstellungswelten eher grotesk, die Verbindung von Porzellan und Kleidung geradezu absurd: Sowohl beim weil filigran-zerbrechlich völlig nutzlosen Schutzpanzer wie auch beim in der Präsentation hierzu korrelativen Gegenstück, ein weil mit Innenstacheln versehen völlig untragbaren Modellkleidchen, dem noch dazu unübersehbar Fetischcharakter anhaftet. Graf Walderdorff: "Das eine ist durch die Zerbrechlichkeit des Porzellans als wehrhafte Rüstung völlig ungeeignet, das andere täuscht durch die Assoziation zum Blumenkleid über das selbstzerfleischende Fiasko hinweg."

Julia Schrader hat sich lange mit keramischen Materialien und deren Bearbeitung auseinander gesetzt. Für sie stellt die Qualität einer Oberfläche, die durch das Aneinanderreihen zahlreicher Einzelteile entsteht, einen wichtigen Arbeitsaspekt dar. Zweifellos sind jedoch die in Molsberg ausgestellten Werke Resultat, wenn nicht gar Bilanz tief greifender innerer Prozesse und Auseinandersetzungen. Der Galerist nannte Angst und Abwehr, Festung und Blöße, Widerstreit der Gefühle als spontane Gedankenassoziationen.

Bereits in der Einladung hatte er darauf verwiesen, dass Julia Schrader die Kleidung als Kommunikationsmittel und Informationsträger sieht: "Der menschliche Körper dient der Seele als Behausung und Julia Schrader sieht eine Erweiterung dieser Behausung in der Kleidung."

Julia Schrader selbst spricht lediglich von einem Spielen mit der Grenze zwischen ästhetisch Schönem und dem bei näherer Betrachtung Schrecken erregend Grauslichem. Es habe sie gereizt, das Vertraute zu verfremden sowie das Material ins Extrem zu tragen. Die in Düsseldorf geborene Künstlerin trägt den Titel des Bachelor of Arts des Camberwell College of Arts & Crafts und den Master of Arts des Londoner Royal College of Art. Außerdem studierte sie in Kyoto/Japan.

Die gebürtige Düsseldorferin inspirierte den Molsberger Galeristen zu einer Premiere: Erstmals wird in diesem Sommer der Keller des Pavillons als Ausstellungsraum integriert. Hier zeigt Julia Schrader einen "Echsenmann", ein Mischwesen aus Mensch und Tier, dessen Oberfläche aus Erbsen besteht. Emmanuel Walderdorff: "Der Pavillon als Bühne der künstlich geschaffenen Leichtigkeit, auf der die Künstlerin ihre nur scheinbar luftigen, zarten Kleider auftreten lässt, bildet somit einen Gegensatz und gleichzeitig einen Dialog zum triebhaften "Echsenmann", der im Keller eingesperrt ist!"

Mit anderen Worten: In Molsberg begegnet man Kunst, die den Gedanken einiges an "Rest" aufgeben...

 
Heather Sheehan
Nassauische Neue Presse
10.03.2001, S. 22

Ein Vater zwischen Macht und Minderwertigkeit

Nicola van Bebber, Molsberg

Der Vater wirkt ein wenig amputiert. Hängenden Kopfes verweist er mutlos auf eine gewisse Unvollständigkeit. Sehen sie so aus, die neuen Männer, die Väter der Zukunft, Produkte der Emanzipationsbewegung, scheinbar willenlos, ausgeliefert den übergroßen Erwartungen, mit denen die Frauen der Neuen Zeit sie überfrachten? Wissend, immer "Father" zu bleiben, weil ihnen zur „Mother" doch Entscheidendes fehlt? Oder ist es einfach nur ein zaghaftes Sich-Herantasten an neue Geschlechter-Rollen?

Das wäre die eine Weise, sich dem Objekt "Father" zu nähern, welche jetzt — auf ganz eigene Weise provokant - dem pretiösen Oktogon am Rande der Molsberger Schlossanlage neue Sichtweisen aufzwingt. Heather Sheehan, eine jetzt in Köln lebende Künstlerin aus New York, hat dieses Objekt kreiert.

„Father" besteht aus Filz und Vaseline. Materialien, die beim europäischen Betrachter unweigerlich Beuys-Assoziationen auslösen. Empört will der Besucher zwanghafte oder auch einfach nur publikumswirksame Imitation reklamieren - doch Heather Sheehan ist allein auf Grund ihrer Herkunft jedweder Effekthascherei völlig unverdächtig: "In Amerika ist Beuys lange nicht so bekannt, längst nicht die Kultfigur, wie er es in Europa war und ist", sagt Emmanuel Graf von Walderdorff, der Initiator der Ausstellungsreihe im Molsberger Pavillon. Auch „Father" hat sämtliche Eigenschaften, die bislang auch alle anderen Exponate im Pavillon aufweisen: Das abstrakte Körperobjekt ist in dieser Form noch nirgendwo anders ausgestellt worden Sheehan hat es eigens für das Westerwälder Oktogon konzipiert.

So hängt er nun dort: Eigenwillig, ein wenig trotzig, vor allem aber auch eben mutlos. Filz als hautähnliches Material formt seine abstrakt-körperliche Hülle, gefüllt und bestrichen ist sie mit Vaseline, die auch aus einer Öffnung heraustropft. Vaseline, ein durchaus nährendes Naturprodukt tropft auf ein Behältnis, in dem sich eigenartige, kleine Filzobjekte zu bewegen scheinen.

Der Pavillon, durch die Lichtinstallationen einer früheren Ausstellung auch schon einmal zum "Tempel der himmlischen Weisheit" stilisiert, mutiert mit diesem abstrakten Objekt eher zur „Nistzelle der Aliens" - so sieht es zumindest Graf Walderdorff: "Es scheint, als seien Außerirdische hier gelandet. Man kennt die Mutter dieser Wesen nicht. Man weiß nicht: Sind sie gut- oder bösartig was wird sich überhaupt aus ihnen entwickeln."

Walderdorff, der in Köln eine Galerie betreibt, sieht in "Father" einen Verweis auf die "Gen-Welt, mit der wir uns heutzutage auseinander setzen müssen." Vor dem Hintergrund Gentechnik muten die kleinen Wesen im Filzkorb jedenfalls an wie gnadenlose Versuchsobjekte. Steht die Vaseline als Kontrapunkt für die Käseschmiere der Neugeborenen, hier eben als künstlerisches Ersatzprodukt für ein

ungeliebtes, zur Sache reduziertes Etwas? Also doch eine unwillkürliche, unbeabsichtigte Parallele zu Joseph Beuys? Immerhin sollten in den Installationen des legendären Kunstprofessors aus Kleve grauer Filz und tierische Fettblöcke Schutz- und Überlebensstrategien symbolisieren...

In jedem Fall: Eine nachdenkliche Botschaft. Fest steht: Es geht um Macht, aber auch um Fürsorge - in Molsberg allerdings mit einer neuen Perspektive. Denn bislang kreisten die haptischen Objekte Heather Sheehans in abstrahierter Form um Weiblichkeit und den Mythos Mutterschaft - bis dato spielten Väter noch keine Rolle...

In Kunstkreisen wird Sheehan ein „reduzierter und sprechender Umgang mit Material, Form, Farbe und Thema", ja geradezu eine bildhauerische Haltung attestiert. In den klaren, kühlen architektonischen Grundzügen des Molsberger Pavillons gelingt dies auf besondere Weise: Von weitem vermutet man in „Father" gar eine Marmorskulptur. Doch bei näherem Hinsehen pervertiert die Künstlerin gewohnte Sichtweisen - nicht nur in Form und Ausgestaltung, sondern eben auch im Blick auf da6 Material. Der Filz, eine mindestens seit 7000 Jahren bekannte Naturfaser, ist älter als die barocke Schlo6san-lage - so alt wie die Problematik von Macht und Minderwertigkeit Annäherung und Abhängigkeit zwischen Mann und Frau? Wie dem auch sei - "Father" hat seinen ganz individuellen Bezug zu dem kleinen Gebäude, das inmitten der Plantanen der Schlossallee und dem nahen Wald liegt.

Dies legt auch die zufällige Parallelität einer Lektüre mit dem Sujet der Ausstellung nahe: „Ich liebte den Geruch der Jägerkleidung, der Filz hatte sich mit dem Geruch des Walds, des Laubs, der Luft und des verspritzten Bluts vollgesogen ... Alles riecht so sauber, wie in einer anderen Heimat, die es am Anfang des Lebens und der Dinge gab ... das Licht lässt die Decke über dem Wald aufgehen als begänne der geheime Mechanismus auf dem Schnürboden des rätselhaften Welttheaters zu funktionieren", heißt es in Sandor Marais' "Die Glut".

Was also auf den ersten Blick rätselhaft, manchem sicher auch unpassend oder gar abstoßend erscheint, hängt hier vielleicht doch richtig: "Der Wald riecht so roh und wild, als käme jedes organische Wesen, Pflanze, Tier und Mensch im großen Schlafzimmer der Welt allmählich zu sich und atmete seine Geheimnisse und bösen Gedanken aus. Wind kommt in diesem Augenblick auf, vorsichtig, wie der Seufzer des Schlafenden, dem die Welt, in die er geboren wurde, wieder einfällt..."

Es gibt eben auch eine andere rein physisch-emotionale Art und Weiße, "Father" - offensichtlich ebenso ätherisch wie erdgebunden - ein wenig näher zu kommen...

 
Pablo Vargas Lugo
Nassauische Neue Presse
11.07.2002, S. 16
  Papp-Abdeckung soll Blick fürs Wesentliche schaffen

Molsberg. Einer der wohl bekanntesten zeitgenössischen Künstler aus Mexiko City, Pablo Vargas Lugo, hat eines seiner Werke in Molsberg ausgestellt. Im Mittelpunkt steht dabei wieder einmal der bei vielen internationalen Künstlern beliebte Pavillon auf dem Gelände von Schloss Molsberg.

Gleichzeitig mit der Präsentation dieses Werkes wird Pablo Vargas in der Emmanuel Walderdorff Galerie in Köln zahlreiche Werke präsentieren. Der 1968 in Mexiko geborene Künstler absolvierte ein Studium für visuelle Kunst. Dieses Studium führte ihn in Stationen von Mexiko über Stockholm nach New York. Seit 1995 stellt er nun seine Werke in namhaften Galerien und Museen in der ganzen Welt aus. So waren seine Arbeiten in Wien, Mexiko, New York und in Texas zu bewundern. Gruppenausstellungen führten ihn nach Kanada, Spanien, England und in die USA. Nun sind seine Werke auch in Deutschland zu bewundern. Die Ausstellung ist in drei Teile gegliedert. Teil eins führt die Besucher zum Pavillon in Molsberg. Hier setzt sich der Künstler mit der alten Baukultur auseinander. Er schuf mit seinem künstlerischen Hauptmaterial Räumlichkeiten. Dazu hat er die Fenster des Pavillons mit Pappe abgedeckt. Nur zwei Fenster wurden ausgespart. Der Innenraum wurde auch komplett mit Pappe abgedeckt, um so einen Durchblick durch die Fenster und einen Blick für das Wesentliche zu schaffen.

Der zweite Teil der Ausstellung ist in der Kölner Galerie zu besichtigen. Hier zeigt Vargas Lugo die Videoausstellung "St. Peter's Martyrdom". In einer Box aus Pappkarton läuft das Video, das eine umgekehrte Kreuzigung zeigt, die an seine Papierarbeiten-Serie Golgotha" angelehnt ist. Diese Papierarbeiten sind Teil der Ausstellung in der Galerie. Der Künstler schneidet aus blassem Papier bekannte Symbole (Kreuze, Fahnen) oder zerrissene Landschaften aus und fügt sie auf einem farbigen Hintergrund zusammen. Diese einzigartigen Papierarrangements scheinen ineinander zu fließen, es entsteht ein dreidimensionales Spiel zwischen Illusion und Realität. Der dritte Teil der Ausstellung besteht aus einer Arbeit an der Schaufensterscheibe der Galerie. Hier bringt Pablo Vargas Lugo auf dem Kopf stehende Logos von Fluggesellschaften an. Dieses zerfließt in ein Spektrum von Pigmenten, in dem alle Farben der Logos enthalten sind. Weitere Informationen zur Galerie und dem Pavillon Schloss Molsberg gibt es unter www.walderdorff.net. (kdh)