Philipp Schönborn versucht in seinen jüngsten Arbeiten, die Verbindung zwischen dem weißen Kunstraum und dem weihevollen Kultraum, neu herzustellen. Er fotografierte in süddeutschen und österreichischen Kirchen Kreuzigungsgruppen, Engels- und Marienstatuen und Deckenfresken. Es sind jene Kunstwerke, die uns heute - sei es als Touristen, sei es als Gläubige - noch den Kopf heben lassen, Kunstwerke, die eine große künstlerische und spirituelle Kraft ausstrahlen: ein Asam-Fresko aus Fürstenfeld mit Szenen aus dem Leben des Bernhard von Clairvaux und den Erlösungstaten Christi, ein Gnadenbild aus der Wallfahrtskapelle von Vens aus dem mittleren 18. Jahrhundert oder ein gekreuzigter Christus aus dem Prämonstratenserstift Roggenburg.
Gerade dieser Christus von Nikolaus Weckmann, auf um 1500 datiert, wird von Philipp Schönborn vor dem barocken Hochaltar nicht isoliert, einzig die Tiefenschärfe gibt dem Gekreuzigten seine unmittelbare Präsenz. In Leuchtkästen montiert, strahlen die Fotografien als durchscheinende Großdias nun im weißen Ausstellungsraum in kräftigen, starken Farben. Das barocke Gold des Engels, der festliche Glanz der Deckenstuckaturen, aus denen heraus die Fresken in Gloriolen gipfeln, das purpurgoldene Kleid der Madonna - all dies lässt sich nun in ganzer Pracht und im Detail bewundern.
Schönborn wählte gegenüber seinen bislang fast durchgängig benutzten kleineren Kastenformen, die sich als Rastereinheit zu immer neuen Formen zusammensetzten, nun größere Formate für seine Leuchtkästen, denn diese Situationen, diese Kunstwerke ließen sich nicht, wie noch die kurz zuvor von ihm fotografierten Mosaiken aus der Capella Palatina in Palermo, zerlegen. Die mächtigen Leuchtkästen nun halten wiederum auf Distanz, bewahren den Kultbildern auch außerhalb der Kirche ihre Wirkung.
Die neuen Arbeiten von Philipp Schönborn stellen also den komplexen, hier nur angerissenen Transformationsprozess der Kunst wie in einem Brennglas erneut zur Debatte. Dabei kommentiert Schönborn den Bedeutungswandel und führt ihn in einem weiteren Schritt zu neuer Qualität, denn die Arbeiten ermöglichen es uns, wieder zur Kunst aufzuschauen, ohne dabei die Möglichkeit zur Reflexion aufgeben zu müssen. |